Behauptung
"Die
Schuld am Zermürbungskrieg lag bei Israel."
"Ägpyten hat den Zermürbungskrieg beendet und versucht,
zu einer Verständigung mit Israel zu kommen, doch Israel wies
diese Initiative zurück."
"Ägypten signalisierte zwischen 1971 und 1973 wiederholt
seine Bereitschaft zu Friedensverhandlungen mit Israel. Einzig und
allein Israels Ablehnung dieser Initiativen führte schließlich
zum Jom-Kippur-Krieg."
Behauptung
"Die Schuld am Zermürbungskrieg lag bei Israel."
Tatsache
Ägypten begann bereits am 1. Juli 1967 damit, israelische Stellungen
am Suezkanal unter Beschuss zu nehmen. Am 21. Oktober 1967 versenkte
Ägypten den isralischen Zerstörer Eilat; dabei kamen 47
Personen ums Leben. Nicht einmal ein Jahr später beschoss die
ägyptische Artillerie erneut israelische Stellungen am Suezkanal.
Dieser Tag im Jahr 1968 gilt in der Regel als der Beginn des Krieges.
Nasser glaubte, dass Israel einen längeren Zermürbungskrieg
nicht durchhalten könne, da der Großteil des israelischen
Heeres aus Reservestreitkräften bestand. Seiner Ansicht nach
konnte Israel die wirtschaftlichen Folgen eines solchen Dauermobilmachens
nicht über längere Zeit verkraften, und die ständigen
Kampfhandlungen würden, so hoffte er, die Moral der Israelis
untergraben.
Der blutige Zermürbungskrieg dauerte etwa zwei
Jahre. Israel verlor in dieser Zeit 15 Kampfflugzeuge, von denen die
meisten von Flugabwehrgeschützen und -raketen abgeschossen wurden.
Zwischen dem 15. Juni 1967 und dem 8. August 1970 fielen auf israelischer
Seite 1424 Soldaten, außerdem kamen über 100 Zivilisten
ums Leben; weitere 2000 Soldaten und 700 Zivilisten wurden verletzt.1
Behauptung
"Ägypten hat den Zermürbungskrieg beendet
und versucht, zu einer Verständigung mit Israel
zu kommen, doch Israel wies diese Initiative zurück."
Tatsache
Im Sommer 1970 gelang es den Vereinigten Staaten, Israel und Ägypten
zur Unterzeichnung eines Waffenstillstands zu bewegen, der sogleich
in Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen
münden sollte. Israel hatte erklärt, dass es grundsätzlich
zum Rückzug aus den eroberten Gebieten bereit sei.
Am 7. August jedoch stationierten die Sowjets und Ägypten im
32-Meilen-Sperrgebiet entlang der Westbank am Suezkanal hoch entwickelte
Boden-Luft-Raketen vom Typ SAM-2 und SAM-3. Dies war ein eindeutiger
Verstoß gegen das Waffenstillstandsabkommen, das die Einfuhr
militärischen Geräts und die Stationierung militärischer
Einrichtungen aller Art in diesem Gebiet untersagte.
Im Time-Magazine hieß es, die Erkundung des
Geländes durch amerikanische Aufklärungsflugzeuge hätte
ergeben, "dass die 36 SAM-2-Raketen, die in die Waffenstillstandszone
geschmuggelt worden waren, lediglich die erste Stufe des gigantischsten
Flugabwehrsystems darstellten, das je errichtet wurde".2
Satellitenfotos des Verteidigungsministeriums zeigen ganz deutlich,
dass in einer 78-Meilen-Zone zwischen den Städten von Ismailia
und Suez 63 SAM-2-Raketen stationiert wurden. Drei Jahre später,
im Krieg von 1973, übernahmen diese Raketen eine wichtige Funktion
bei Ägyptens Überraschungsangriff auf Israel. Wie wichtig,
wird daran sichtbar, "dass 40 Prozent der Gesamtverluste an israelischen
Kampfflugzeugen in den ersten 48 Stunden erfolgten. Das waren 14 Prozent
der Kampfstärke der israelischen Luftwaffe überhaupt".3
Trotz dieser schweren ägyptischen Vertragsverstöße
wurden die von den Vereinten Nationen protegierten Gespräche
wieder aufgenommen - ein weiterer Beleg dafür, wie sehr Israel
am Fortschritt des Friedensprozesses gelegen war. Die Verhandlungen
gerieten allerdings sehr schnell ins Stocken, als der von den Vereinten
Nationen eingesetzte Vermittler, Gunnar Jarring, die ägyptische
Auslegung von Resolution 242 übernahm und den Rückzug Israels
hinter die Demarkationslinien der Zeit vor dem 5. Juni 1967 verlangte.
Unter diesen Voraussetzungen bekundete Ägypten
am 20. Februar 1971 in einem Brief an Jarring seine Bereitschaft zu
einem Friedensvertrag mit Israel - eine bloße Geste, die letztlich
nur der Verschleierung des hartnäckigen Irredentismus Ägyptens
und seiner mangelnden Bereitschaft, einen echten Frieden zu akzeptieren,
diente, wie die im Brief formulierten umfassenden Vorbehalte und Vorbedingungen
zeigen.
Die entscheidenden Sätze über einen möglichen "Friedensvertrag
mit Israel" waren in Ägypten bezeichnenderweise weder in
der Presse zu lesen noch im Rundfunk zu hören. Außerdem
lehnte Ägypten direkte Verhandlungen mit dem jüdischen Staat
ab. Israel versuchte zwar, Jarrings schwierige Mission wenigstens
indirekt in ein Gespräch zu verwandeln, indem es seine Briefe
nicht an Jarring, sondern an die ägyptische Regierung richtete,
doch Ägypten weigerte sich, darauf einzugehen.
Unmittelbar nach dem Brief an Jarring wandte sich Ägyptens neuer
Präsident Anwar el-Sadat an die Versammlung des Palästinensischen
Nationalrates in Kairo. Er versprach der PLO seine Unterstützung
"bis zum Sieg" und erklärte, dass Ägypten Resolution
242 nicht akzeptieren würde.4
Fünf Tage nach dem Sadat seine Bereitschaft zum Frieden mit Israel
bekundet hatte, schrieb Mohammed Heikal, der Herausgeber des halfoffiziellen
Blattes Al-Ahram, ein Vertrauter Sadats:
"In diesem Stadium hat jegliche arabische Politik
nur zwei Ziele. Das Erste ist die Auslöschung aller Spuren der
Aggression von 1967 durch den Rückzug Israels aus sämtlichen
besetzten Gebieten. Das zweite Ziel ist die Auslöschung aller
Spuren der Aggression von 1948 durch die Auslöschung des Staates
Israel selbst. Dieses zweite ist jedoch vorläufig noch ein abstraktes
Ziel, auch wenn manche von uns dem Irrtum verfallen sind, den letzteren
Schritt vor dem ersten tun zu wollen."5
Behauptung
"Ägypten signalisierte zwischen 1971 und 1973 wiederholt
seine Bereitschaft zu Friedensverhandlungen mit Israel. Einzig und
allein Israels Ablehnung dieser Initiativen führte schließlich
zum Jom-Kippur-Krieg."
Tatsache
Nach dem Scheitern der Jarring-Mission unternahmen die Vereinigten
Staaten einen weiteren Schlichtungsversuch. Sie schlugen ein israelisch-ägyptisches
Interimsabkommen vor, das den teilweisen Rückzug Israels aus
dem Gebiet des Suezkanals und gleichzeitig die Öffnung der Wasserstraße
für den Schiffsverkehr vorsah.
Israel war ohne Vorbedingungen zu Verhandlungen bereit. Sadat verlangte
jedoch, dass Israel sich - als Teil des Interimsabkommens - bereit
erkläre, letztlich doch hinter die alten Grenzen von 1967 zurückzuweichen.
Damit wollte er im Grunde eine Vorausgarantie im Blick auf das Ergebnis
der anvisierten "Verhandlungen" erzwingen.
1 Nadav Safran: Israel The Embattled Ally; MA: Harvard University
Press 1981, S. 266.
2 Time Magazine, 14. September 1970.
3 John Pimlott: The Middle East Conflicts From 1945 to the Present;
NY: Crescent Books 1983, S. 99.
4 Radio Kairo, 27. Feburar 1971.
5 Al-Ahram, 25. Februar 1971.