Behauptungen
»Die
Medienberichterstattung über Israel entspricht der weltpolitischen
Bedeutung des israelischen Staates.«
»Israel wird in den Medien so große Aufmerksamkeit zuteil,
weil es das einzige Land im Nahen Osten ist, dessen Angelegenheiten
die amerikanischen Interessen berühren.«
»Die westliche Medienberichterstattung über die arabische
Welt hält der Berichterstattung über Israel die Waage.«
»Die Medienberichterstattung über die arabische Welt
ist objektiv.«
»Den Journalisten, die über den Nahen Osten berichten,
geht es um die Wahrheit.«
»Die
Medien sehen Israel wegen seiner Freundschaft mit den USA viel nach.«
»Israel verdient die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird,
im Grunde gar nicht, weil es kein Verbündeter der USA ist.«
»Israel wird in der amerikanischen Medienberichterstattung
begünstigt, weil die amerikanischen Juden die Medien kontrollieren
und unverhältnismäßig großen politischen Einfluss haben.«
»Die arabischen Politiker erzählen den westlichen Journalisten
das Gleiche, was sie ihrem eigenen Volk sagen.«
»Die Journalisten kennen sich
in der Geschichte des Nahen Ostens aus und können die aktuellen Ereignisse
deshalb im richtigen Zusammenhang darstellen.«
»Die Intifada leistete passiven Widerstand. Schlimmstenfalls
warfen ein paar Kinder mit Steinen auf schwer bewaffnete Soldaten.«
»Die Medienberichterstattung über die Intifada war fair
und ausgewogen.«
»Die Israelis können die Wahrheit der Fotos, die zeigen,
wie israelische Soldaten Palästinenser misshandeln, nicht leugnen.«
Behauptung
»Die Medienberichterstattung
über Israel entspricht der weltpolitischen Bedeutung des israelischen
Staates.«
Tatsache
Die Aufmerksamkeit,
die die Medien Israel schenken, ist kaum mit der Bedeutung des Landes
für die Weltöffentlichkeit oder auch nur für die nationalen Interessen
der USA zu rechtfertigen. Wie kommt es, dass ein Land von der Größe
New Jerseys immer wieder weit wichtigere Länder wie Russland, China
und Großbritannien aus den Schlagzeilen verdrängt?
Israel genießt wahrscheinlich
den höchsten Berühmtheitsgrad der Welt. Die Amerikaner wissen mehr
über die israelische Politik als über die irgendeines anderen Staates.
Zum Beispiel kennen sie die meisten israelischen Politiker besser
als die ihrer Nachbarländer Kanada und Mexiko. Hinzu kommt, dass ein
hoher Prozentsatz der Amerikaner genauestens über den arabisch-israelischen
Konflikt informiert ist.
Einer der Gründe dafür
ist die unverhältnismäßige Beachtung, die dem Land in der Medienberichterstattung
zuteil wird. Die amerikanischen Nachrichtensender zum Beispiel beschäftigen
in keinem Land außer in Großbritannien so viele Korrespondenten wie
in Israel.
B
ehauptung
»Israel wird in den
Medien so große Aufmerksamkeit zuteil, weil es das einzige Land im
Nahen Osten ist, dessen Angelegenheiten die amerikanischen Interessen
berühren.«
Tatsache
Der Nahe Osten ist
für die Vereinigten Staaten (und die gesamte westliche Welt) vor allem
wegen seiner Ölressourcen wichtig. Alles, was die Erdölförderung und
die Versorgung der Welt mit Öl gefährden könnte, ist für die USA von
allerhöchster Bedeutung. Darüber hinaus ist den Vereinigten Staaten
daran gelegen, ihnen wohlgesonnene Regimes in dieser Region zu unterstützen.
Grund dafür sind die ständigen Unruhen, von denen der Nahe Osten immer
wieder heimgesucht wird und die mittelbar oder unmittelbar amerikanische
Interessen berühren. So machten etwa bestimmte Ereignisse in Ländern
wie Jordanien, dem Libanon und dem Iran eine Intervention amerikanischer
Truppen nötig, und es gibt wenig, was die amerikanische Öffentlichkeit
so stark auf den Plan ruft wie ein paar Landsleute, die sich irgendwo
im Ausland in Lebensgefahr befinden. Die Vereinigten Staaten waren
bisher in jeden der arabisch-israelischen Kriege involviert und führten
darüber hinaus mehrere eigene militärische Aktionen in der Region
durch, die nichts mit Israel zu tun hatten; am bekanntesten war wohl
der Golfkrieg mit dem Irak.
Andererseits sind die
Amerikaner nicht generell an den Bruderkriegen von Völkern in fernen
Ländern interessiert, jedenfalls so lange diese Kriege scheinbar keine
Auswirkungen auf amerikanische Interessen haben. So war es jedenfalls
in Afrika, Lateinamerika und sogar auf dem Balkan. Auch die innerarabischen
Kriege haben längst nicht die gleiche Aufmerksamkeit erregt wie die
Konflikte zwischen Israel und den arabischen Staaten. Der israelisch-palästinensische
Konflikt – zwei Völker im Streit um ein Land – nimmt nicht zuletzt
deshalb eine ganz besondere Stellung ein, weil er sich im Heiligen
Land abspielt.
Eine weitere Erklärung
für die unverhältnismäßig starke Beachtung, die Israel in der Medienberichterstattung
im Verhältnis zu den arabischen Ländern findet, ist, dass nur wenige
Nahostkorrespondenten den geschichtlichen Hintergrund der Region kennen
oder auch nur die Landessprachen sprechen. Die weitgehend westliche
Kultur in Israel ist ihnen sehr viel vertrauter als die fremden muslimischen
Gesellschaften.
»Israel
ist das einzige Land im Nahen Osten, in dem ein Auslandskorrespondent
eine Freundin finden kann.«
S.
Abdallah Schleifer 1
»Die westliche Medienberichterstattung
über die arabische Welt hält der Berichterstattung über Israel die
Waage.«
Tatsache
Die arabisch-islamische
Welt gilt in Journalistenkreisen als »Gürtel des Schweigens«.2 Die Medien in diesen Ländern stehen unter der Kontrolle totalitärer
Regimes; Israel dagegen ist eine Demokratie mit einer der freiesten
Presselandschaften der Welt.
Die Schwierigkeiten
bei der Informationsbeschaffung wird häufig als Entschuldigung für
die spärliche Berichterstattung über die Region angeführt. So war
es zum Beispiel im iranisch-irakischen Krieg, einer der blutigsten
Auseinandersetzungen in den letzten 40 Jahren. Doch angesichts der
sonstigen Findigkeit der amerikanischen Journalisten ist es erschreckend,
dass selbst über die autoritärsten Regimes kaum etwas in der Presse
zu vernehmen ist.
»Die Medienberichterstattung
über die Intifada ist objektiv.«
Tatsache
Wenn Journalisten ausnahmsweise
einmal die Möglichkeit haben, einen Blick hinter den Schleier des
Geheimnisses zu werfen, so ist der Preis für diesen Kontakt zu Diktatoren
und Terroristen meist hoch, ja in manchen Fällen werden die Reporter
sogar eingeschüchtert oder erpresst. So wurden zum Beispiel in den
Achtzigerjahren im Libanon Journalisten im Gegenzug für Interviews
und gewährten Schutz zu willfährigen Werkzeugen der PLO – und das
gilt keineswegs nur für westliche Journalisten. Während der »Al-Aksa-Intifada«
wurden israelische Journalisten, die Kontakt zur palästinensischen
Autonomiebehörde aufnehmen wollten, gewarnt, und manche erhielten
Drohanrufe, nachdem sie Artikel veröffentlicht hatten, in denen sie
das Vorgehen der Autonomiebehörde kritisierten.3
Als Reese Schonfeld,
der erste Präsident von CNN, gebeten wurde, sich zu der Voreingenommenheit
gegenüber Israel zu äußern, die der Sender nach Ansicht vieler Zuschauer
erkennen lässt, sagte er: »Die Journalisten nehmen in ihrer Berichterstattung
große Rücksicht auf die arabische Empfindlichkeit« – will heißen,
dass die Berichterstattung gefärbt ist, weil CNN seine guten Beziehungen
zu arabischen Welt nicht aufs Spiel setzen will.4
In arabischen Ländern
werden ausländische Journalisten stets eskortiert, damit sie auch
wirklich nur zu sehen bekommen, was sie sehen sollen; oder sie werden
beschattet. Die Einheimischen werden von Sicherheitskräften – manchmal
direkt, manchmal auf subtilere Weise – aufgefordert, sich in ihren
Äußerungen gegenüber den ausländischen Gästen zurückzuhalten.
In der Berichterstattung
über die palästinensische Autonomiebehörde verlassen sich die westlichen
Medien in der Regel auf palästinensische Assistenten, die die Korrespondenten
in die besetzten Gebiete begleiten. Häufig stellt die Behörde ihnen
sogar eigenes Filmmaterial zur Verfügung, das dann weltweit gesendet
wird. »Nach meiner Einschätzung«, schrieb Ehud Ya’ari, »werden 95
Prozent der Fernsehbilder, die allabendlich über Satellit im Ausland
und im israelischen Fernsehen zu sehen sind, von palästinensischen
Kamerateams geliefert. Die beiden wichtigsten Agenturen auf dem Fotoarchivmarkt,
APTN und Reuters TV, unterhalten ein ganzes Netz von palästinensischen
Verbindungsleuten in den besetzten Gebieten, die ihnen unmittelbar
nach bestimmten Zwischenfällen sofort Filmmaterial zur Verfügung stellen.
Diese Kamerateams stehen emotional und politisch ganz offensichtlich
auf der Seite der Intifada; im günstigsten Fall wagen sie es nicht,
irgendetwas zu filmen, das die Autonomiebehörde in Verlegenheit bringen
könnte. So kommt es, dass die Kameras stets auf die israelischen Soldaten
und nicht auf die palästinensischen Heckenschützen gerichtet sind
und eine sehr einseitige Momentaufnahme von den Ereignissen vor Ort
liefern.«5
Ein besonders grauenhafter
Zwischenfall ereignete sich im Oktober 2000, als zwei israelische
Reservisten in Ramallah von einem palästinensischen Mob gelyncht wurden.
Nach Aussagen von Reportern, die am Schauplatz anwesend waren, versuchte
die palästinensische Polizei die ausländischen Journalisten am Filmen
des Geschehens zu hindern. Einem italienischen Fernsehteam gelang
es dennoch, die Szenen wenigstens ausschnittweise aufzunehmen, und
die schockierenden Bilder gingen zur besten Sendezeit um die ganze
Welt. Eine andere italienische Nachrichtenagentur setzte daraufhin
eine Anzeige in die wichtigste Zeitung der palästinensischen Autonomiebehörde,
Al Hayat-Al-Jadidah, in der sie sich ausdrücklich von den Aufnahmen
distanzierte:
»Liebe palästinensische
Freunde. Wir gratulieren euch und halten es für unsere Pflicht, euch
über die Ereignisse vom 12. Oktober in Ramallah ins Bild zu setzen.
Die Aufnahmen, die bei diesem Zwischenfall entstanden, stammen von
einem mit uns konkurrierenden privaten Fernsehsender (und nicht vom
offiziellen italienischen Fernsehsender RTI). Die von diesem privaten
Sender aufgenommenen Bilder wurden daraufhin im israelischen Fernsehen
gezeigt, und so entstand in der Öffentlichkeit der Eindruck, als ob
die Bilder von uns (RTI) stammten. Wir möchten euch allen versichern,
dass sich das Ganze nicht so abspielte. Wir haben uns stets an die
journalistischen Vorschriften der palästinensischen Autonomiebehörde
für die (journalistische) Arbeit in Palästina gehalten und werden
dies auch weiterhin tun; ihr kennt uns und wisst, dass wir glaubwürdig
sind.
Wir
danken euch für euer Vertrauen. Ihr sollt wissen, dass dies nicht
unsere Art ist (und dass wir eben nicht wie die anderen Fernsehsender
arbeiten). Wir tun so etwas nicht und werden es nie tun. Gottes Segen mit euch.« Unterzeichnet Ricardo Christiano, Vertreter
des offiziellen italienischen Fernsehens in Palästina 6
Wenn
eine Nachrichtenagentur von der pro-palästinensischen Linie abweicht,
gerät sie sofort unter Beschuss. Im November 2000 zum Beispiel warf
der palästinensische Journalistenverband Associated Press vor, ein
falsches Bild von der »Al-Aksa-Intifada« zu vermitteln. Der Verband
bezeichnete die Berichterstattung von AP als bewusstes Verbrechen
am palästinensischen Volk und sagte, sie ergreife Partei für die israelische
Position. Er drohte, Maßnahmen gegen die Redakteure von AP und gegen
die AP-Büros im Verwaltungsgebiet der palästinensischen Autonomiebehörde
zu ergreifen, wenn die Agentur weiterhin die palästinensischen Interessen
schädige.7
»Den Journalisten,
die über den Nahen Osten berichten, geht es um die Wahrheit.«
Tatsache
Es wird niemanden überraschen,
wenn er hört, dass die Journalisten im Nahen Osten eines mit ihren
Kollegen zu Hause gemein haben: das Interesse an der Sensationsmache.
Das anschaulichste Beispiel dafür sind die Fernsehreporter, deren
Medium, das Fernsehen, in dem der eigentliche Gehalt einer Nachricht
fast zwangsläufig hinter ihrer visuellen Präsentation zurücksteht,
eine oberflächliche Berichterstattung fördert. So antwortete der NBC-Korrespondent
in Israel auf die Frage, warum die Reporter sich dazu hergäben, über
palästinensische Demonstrationen in der Westbank zu berichten, die,
wie sie genau wussten, inszeniert waren: »Wir spielen mit, weil wir
die Bilder brauchen.«8 Von Ländern wie Syrien, Saudi-Arabien,
Iran oder Libyen erhalten die Sender keine Bilder, die für den Fernsehzuschauer
oder Zeitungsleser von Interesse wären.
»Wir
fingen an, die Demonstranten zu filmen. Plötzlich kam ein Lastwagen
mit Fatah-Kämpfern angerast. Sie brüllten Befehle und verteilten sogar
Molotowcocktails unter den Demonstranten. Wir filmten weiter, doch
diese Bilder wird nie jemand zu sehen bekommen. In wenigen Augenblicken
hatten die Jugendlichen uns umzingelt, bedrohten uns und brachten
uns auf die Polizeistation. Dort wiesen wir uns aus, wurden aber trotzdem
gezwungen, das belastende Filmmaterial zu löschen. Die palästinensische
Polizei bekam die Situation unter Kontrolle, aber unsere Bilder wurden
zensiert. Jetzt haben wir den Beweis, dass diese Unruhen nicht spontan
ausbrechen. Sämtliche Befehle kamen von der palästinensischen Hierarchie.«
Jean
Pierre Martin 9
»Die Medien sehen Israel
wegen seiner Freundschaft mit den USA viel nach.«
Tatsache
Die Amerikaner neigen
dazu, die Juden mit einem anderen Maßstab zu messen, sie erwarten
sehr viel mehr von ihnen als von allen anderen Völkern. Das liegt
zum Teil an den eigenen hohen Erwartungen der Juden, an ihrem Anspruch,
»ein Licht für die Völker« zu sein; so wird augenblicklich registriert,
wenn die Israelis sich etwas zu Schulden kommen lassen. Die Araber
hingegen werden an einem sehr viel niedrigeren Maßstab gemessen. Als
Israel zum Beispiel vier Palästinenser auswies, war diese Maßnahme
sofort Schlagzeilen wert, doch dass Kuwait Hunderttausende auswies,
nahm die Presse überhaupt nicht zur Kenntnis. Und der Tod eines einzigen
Palästinensers in der Westbank löste in den Medien mehr Berichte aus
als der Mord an Tausenden von Arabern in Algerien. Ob zu Recht oder
zu Unrecht, Öffentlichkeit und Presse sind offenbar der Ansicht, dass
die Juden sich anders verhalten sollen als der Rest der Menschheit.
»Israel verdient die
Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, im Grunde nicht, weil es kein
Verbündeter der USA ist.«
Tatsache
Israel hat eine ganz
besondere Beziehung zu den Vereinigten Staaten, die in den Anfang
des 20. Jahrhunderts zurückreicht. Damals billigte der amerikanische
Kongress die Schaffung eines jüdischen Staats in Palästina. Harry
Truman gilt als Geburtshelfer des neuen Staates, und die wirtschaftliche,
diplomatische und militärische Unterstützung der Vereinigten Staaten
war zu allen Zeiten entscheidend für Israels Entwicklung und Überleben.
Die Amerikaner fühlen
sich den Israelis verwandt, weil sie die gleichen Werte haben – Demokratie,
Freiheitsliebe, Wertschätzung von Bildung –, und dies hat zu einer
Vielzahl von Verbindungen auf persönlicher und politischer Ebene geführt.
Die amerikanische Öffentlichkeit ist fasziniert vom »Volk des Buches«,
das jahrhundertelang von Land zu Land zog, überall verfolgt wurde,
endlich in seine Heimat zurückkehrte, dort eine blühende Hightech-Gesellschaft
schuf, gegen haushoch überlegene Feinde kämpfte und sie besiegte.
Die Amerikaner bewundern den Pioniergeist der Juden, die sich als
Erste in Palästina niederließen und dort Kibbuzim gründeten, weil
sie darin ihre eigene Geschichte wieder erkennen. Und sie haben ein
Herz für die Schwachen – denn das sind die Juden auch heute noch,
obwohl Israel inzwischen zur Militärmacht geworden ist.
Mit wachsender militärischer
Stärke wurde Israel außerdem zu einem wichtigen Bündnispartner der
USA und erhielt, obwohl es nicht der NATO angehört, den besonderen
Status eines Verbündeten der USA (Major Non-NATO Ally).
»Israel wird in der
amerikanischen Medienberichterstattung begünstigt, weil die amerikanischen
Juden die Medien kontrollieren und unverhältnismäßig großen politischen
Einfluss haben.«
Tatsache
Wenn die Juden tatsächlich
die Medien kontrollieren würden, würden sie sich wohl kaum so oft
über die antiisraelische Einstellung der Presse beklagen. Es ist sicherlich
richtig, dass die Aufmerksamkeit, die Israel in der amerikanischen
Presse zuteil wird, mit der Tatsache in Zusammenhang steht, dass die
Vereinigten Staaten den höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil der
Welt haben und dass die amerikanischen Juden sich sehr stark mit Israel
identifizieren. Es stimmt auch, dass eine große Zahl von Juden wichtige
Positionen in der Medienlandschaft haben (auch wenn sie keinesfalls
die Presse »kontrollieren«, wie manche Antisemiten behaupten) und
dass die jüdische Bevölkerungsmehrheit sich auf große Medienzentren
wie New York und Los Angeles konzentriert, sodass es nicht überraschen
kann, wenn Israel häufig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht.
Politisch besitzen
die amerikanischen Juden beträchtliche Macht in den Vereinigten Staaten,
und sie nutzen diese Macht zu Gunsten einer Politik, die die amerikanisch-israelischen
Beziehungen vertieft; es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass sich
daraus eine Medienberichterstattung entwickelt hat, in der Israel
bevorzugt wird. Man könnte im Gegenteil sagen, dass pro-arabische
Kräfte wie zum Beispiel die Petrochemie ebenso großen oder sogar noch
größeren Einfluss auf die Medien haben und einen antiisraelischen
Trend in der Berichterstattung fördern.
»Die arabischen Politiker
erzählen den westlichen Journalisten das Gleiche, was sie ihrem eigenen
Volk sagen.«
Tatsache
Arabische Politiker
sagen in englischer Sprache häufig etwas ganz anderes als in der arabischen.
Ihre wahren Gefühle und Einstellungen äußern sie nur in ihrer Muttersprache,
vor ihren Wählern. Für die Ohren der Weltöffentlichkeit bedienen sie
sich einer moderaten Wortwahl, und wenn sie in englischer Sprache
vor einer westlichen Hörerschaft sprechen, vertreten sie häufig völlig
andere Ansichten als in ihren Heimatländern. Die arabischen Propagandisten
wissen seit langem, wie sie ihrer Sache am besten dienen. Sie treten
inzwischen routinemäßig in amerikanischen Nachrichtensendungen auf
und werden in den Printmedien zitiert; in beiden machen sie den Eindruck
vernünftiger Menschen mit berechtigten Forderungen und Bedenken. Was
viele dieser Leute auf Arabisch sagen, ist jedoch oft weit weniger
gemäßigt und vernünftig. Da die Israelis in der Regel das Arabische
verstehen bzw. es leicht übersetzen können, kennen sie die wahre Einstellung
ihrer Feinde genau. Amerikaner und andere aber, die nur Englisch sprechen,
lassen sich leicht von der glänzenden Oberfläche eines arabischen
Propagandaspezialisten täuschen.
Als Beispiel sei hier
Saeb Erekat, der palästinensische Unterhändler für den Frieden, angeführt,
der häufig in den westlichen Medien zitiert wird. Nach dem grausamen
Mord an zwei israelischen Jugendlichen am 9. Mai 2001 wurde er um
eine Stellungnahme gebeten. Die Washington Post druckte seine Antwort
in folgendem Zusammenhang:
»Saeb Erekat, ein palästinensischer
Politiker, sagte auf einer Pressekonferenz in englischer Sprache:
›Der Mord an Zivilisten, palästinensischen wie israelischen, ist ein
Verbrechen.‹ Diese Bemerkung wurde in den in arabischer Sprache erscheinenden
palästinensischen Medien nicht veröffentlicht.«10
Das Ungewöhnliche daran
war, dass die Post eigens darauf hinwies, dass Erekats Kommentar nicht
in der palästinensischen Presse erschien.
»Die Journalisten kennen
sich in der Geschichte des Nahen Ostens aus und können die aktuellen
Ereignisse deshalb im richtigen Zusammenhang darstellen.«
Tatsache
Einer der Gründe für
die Missverständnisse und Fehlinformationen über den Nahostkonflikt
und für die alles andere als objektive Berichterstattung darüber in
den Medien ist die Unwissenheit der Journalisten. Nur wenige Reporter
sprechen Iwrit oder Arabisch, sodass sie die Originalquellen kaum
oder gar nicht nutzen können. Statt unabhängig zu berichten, käuen
sie häufig einfach nur Artikel wieder, die sie in englischsprachigen
Veröffentlichungen der Region gelesen haben. Wenn sie versuchen, bestimmte
Ereignisse in einen historischen Kontext einzuordnen, stellen sie
Tatsachen falsch dar und erzeugen so einen ungenauen oder gar falschen
Eindruck. So sagte zum Beispiel
Garrick Utley von CNN im Rahmen einer Sendereihe über die Geschichte
der heiligen Stätten in Jerusalem, dass die Juden während der jordanischen
Herrschaft über die Stadt von 1948 bis 1967 an der Westmauer beten
durften.11 In Wirklichkeit durften die Juden ihr höchstes
Heiligtum damals nicht einmal betreten – eine wichtige historische
Tatsache, die Israels heutige Haltung in der Jerusalemfrage verständlicher
macht.
»Die Intifada leistete
passiven Widerstand. Schlimmstenfalls warfen ein paar Kinder mit Steinen
auf schwer bewaffnete Soldaten.«
Tatsache
Die Intifada war von
Anfang an eindeutig gewaltbereit. In den ersten vier Jahren des Aufstands
verzeichneten die israelischen Verteidigungsstreitkräfte über 3600
Molotowcocktail- und 100 Handgranatenangriffe sowie 600 Anschläge
mit Schusswaffen und Sprengstoff. Die Gewalt richtete sich gleichermaßen
gegen Soldaten und Zivilisten. In dem genannten Zeitraum töteten die
Palästinenser in den besetzten Gebieten 16 israelische Zivilisten
und elf Soldaten; über 1400 israelische Zivilisten und 1700 israelische
Soldaten wurden verletzt. Zwischen 1997 und der Unterzeichnung der
Oslo-Abkommen kamen 90 Israelis bei Übergriffen der Intifada durch
Anschläge ums Leben.12
Bei einem Besuch in
Bethlehem im August 1988 wäre der amerikanische Journalist Sidney
Zion auf einer Taxifahrt beinahe durch einen Steinwurf getötet worden.
»Zum Glück hat der Stein mich verfehlt«, sagte er. »Ich sah ihn nicht
kommen und wäre in der nächsten Sekunde tot gewesen, wenn der Fahrer
nur eine Idee schneller gefahren wäre. Zum Glück saß niemand auf dem
Beifahrerplatz, aber es war klar, dass die Araber die Steine nicht
einfach in die Luft geworfen hatten.«
Zion, der seit über
20 Jahren als Berichterstatter im Nahen Osten arbeitete, sagte, dass
er auf Grund der amerikanischen Medienberichte überzeugt war, dass
»die Steinewerfer auf israelische Soldaten und nicht auf Taxis gezielt
hatten. Oder haben Sie im Fernsehen je etwas anderes gesehen, in den
Zeitungen je etwas anderes gelesen? Kinder warfen mit Steinen auf
Soldaten, das war alles. Es kam mir einfach nicht in den Sinn, dass
amerikanische Journalisten Nachrichten über eine tödliche Gefahr unterdrückten.
Erst später fand ich heraus, dass das, was uns passiert war, keine
Ausnahme darstellte«, schrieb Zion. »An jedem Tag, den Gott werden
lässt, werden israelische Zivilisten in der Westbank von diesen kleinen
arabischen Teufelsbraten mit Steinen bombardiert und kommen dabei
zu Tode.«13
»Die Medienberichterstattung
über die Intifada war fair und ausgewogen.«
Tatsache
Die wahrheitsliebenderen
Journalisten gaben zu, dass die Berichterstattung über die Intifada
einseitig war. Laut Steven Emerson, einem damaligen CNN-Korrespondenten,
akzeptierten amerikanische Journalisten, dass die Palästinenser kontrollierten,
was sie filmten. Ein israelischer Kameramann, der für mehrere amerikanische
Fernsehgesellschaften arbeitete, sagte einmal zu Emerson: »Wenn wir
die Kamera auf die falschen Szenen richten, sind wir geliefert.« In
anderen Fällen überließen die Fernsehgesellschaften den Palästinensern
Dutzende von Videokameras, damit sie Streiks, Aufstände und Begräbnisse
filmen konnten. »Wir haben keinerlei Möglichkeit, die Authentizität
des Filmmaterials zu überprüfen, und wir können auch nicht verhindern,
dass die Kameras dazu gebraucht werden, eine Demonstration zu organisieren«,
schrieb er.14
Obwohl nahezu ein Drittel
aller im Jahr 1989 getöteten Palästinenser von Arabern ermordet wurden,
befassten sich nur zwölf der 150 in diesem Jahr von den amerikanischen
Fernseh- und Rundfunkgesellschaften gesendeten Berichte über die Westbank
mit diesem innerpalästinensischen Krieg. »Während der politische Terror
der Palästinenser in der Westbank keine Schlagzeile wert ist«, schrieb
Emerson, »werden pure Erfindungen über Grausamkeiten der Israelis
ungeprüft weitergegeben.«
Anfang 1988 zum Beispiel
wurde die Auslandspresse ins El-Mokassed-Hospital in Jerusalem gerufen,
um dort einen sterbenden palästinensischen Jungen zu filmen. Sein
palästinensischer Arzt präsentierte ihn, angeschlossen an Schläuche
und ein Beatmungsgerät, und behauptete, das Kind sei von israelischen
Soldaten rücksichtslos zusammengeschlagen worden. Am 8. Februar 1988
eröffnete Peter Jennings von ABC seinen Beitrag mit dem Satz, nach
Aussage von UN-Beobachtern hätten die Israelis »einen weiteren Palästinenser
in den besetzten Gebieten zu Tode geprügelt«. NBC und CBS brachten
ähnlich reißerisch aufgemachte Berichte.
Doch die Geschichte
stimmte nicht. Bei der Autopsie stellte sich heraus, dass das Kind
an einer Hirnblutung starb, nachdem es davor über ein Jahr lang krank
gewesen war. Insgesamt, so Emerson, hatten sich die amerikanischen
Fernseh- und Rundfunkgesellschaften »an einer beispiellosen Irreführung
über den Konflikt in der Westbank mitschuldig gemacht«.
Martin Fletcher, der
NBC-Verantwortliche in Tel Aviv, gab zu, dass es problematisch sei,
im Zusammenhang mit der Intifada von fairer Berichterstattung zu sprechen.
Er räumte ein, dass die Palästinenser die westlichen Medien manipulierten,
indem sie sich als »David« präsentierten, der sich dem israelischen
»Goliath« stellte – eine Metapher, die Fletcher selbst in einem Bericht
von 1988 gebrauchte.
»Der ganze Aufstand
war für die Medien inszeniert und wurde zweifellos durch das Interesse
der Medien in Gang gehalten«, sagte er. Fletcher gab offen zu, dass
er Aufforderungen junger Palästinenser, gewalttätige Angriffe gegen
jüdische Bewohner der Westbank zu filmen, nachgekommen sei.
»Es ist eine Sache
der Manipulation der Medien. Die Frage dabei ist: Wie weit spielen
wir das Spiel mit? Es ist das Gleiche wie mit den Fototerminen bei
Bush oder Reagan. Wir spielen mit, weil wir die Bilder brauchen.«15
Fallstudie Ein
in der Washington Post erschienener Artikel über den »Teufelskreis
des Todes« in der Westbank enthielt ein Interview mit Raed Karmi,
einem Offizier der Fatah, der dominierenden Gruppierung in Arafats
Palästinensischer Befreiungsorganisation. Der Artikel beginnt damit,
wie Karmi hinausläuft, um sich an einem Scharmützel mit israelischen
Soldaten zu beteiligen, und sich ein M-16-Gewehr greift. Was der Reporter
zu erwähnen vergisst, ist, dass nach den israelisch-palästinensischen
Abkommen nur die palästinensische Polizei bewaffnet sein darf. Der
Artikel erweckt den Eindruck, dass die Gewaltanwendung der Israelis
und der Palästinenser in diesem »Teufelskreis« gleichzusetzen sei,
weil Karmi sagt, dass er aus Rache für den Tod eines Palästinensers
handle, den die Israelis wegen geplanter Terroranschläge ermordet
hätten. Karmi gibt zu, dass er an der Entführung und »Hinrichtung«
zweier Israelis beteiligt war, die in einem Tulkarm-Restaurant zu
Mittag gegessen hatten. Karmi wurde zwar von der palästinensischen
Autonomiebehörde verhaftet, aber bereits nach vier Monaten wieder
auf freien Fuß gesetzt. Danach brachte er vier weitere Israelis um,
darunter einen Mann in einem Supermarkt und einen Autofahrer, den
er aus dem Hinterhalt ermordete. »Ich werde mit den Anschlägen auf
Israelis weitermachen«, sagte er gegenüber der Post.16
Behauptung
»Die Israelis können
die Wahrheit der Fotos,
die zeigen, wie israelische
Soldaten Palästinenser misshandeln, nicht leugnen.«
Tatsache
Ein Bild kann mehr
sagen als tausend Worte, aber manchmal kann das Bild und die Worte,
mit denen es beschrieben wird, auch grob in die Irre führen. Fotografen
und Kameraleute sind ständig auf der Jagd nach sensationellen Bildern,
die dann nur allzu oft dokumentieren, wie der grausame israelische
Goliath den leidenden palästinensischen David misshandelt, doch der
Kontext ist häufig ein völlig anderer.
Ein klassisches Beispiel
ist ein Foto, das Associated Press an Presseorgane auf der ganzen
Welt versandte. Das Foto wurde in der New York Times abgedruckt 17
und erregte den Zorn der Öffentlichkeit, weil es in der von AP mitgelieferten
Bildunterschrift hieß: »Ein israelischer Polizist und ein Palästinenser
auf dem Tempelberg.« Da das Foto während der palästinensischen Unruhen
nach dem umstrittenen Besuch Ariel Sharons in der Al-Aksa-Moschee
aufgenommen worden war, schien es ein anschauliches Beispiel für die
Brutalität der Israelis zu sein. Später stellte sich heraus, dass
die Bildunterschrift falsch war und das Foto in Wirklichkeit einen
Zwischenfall zeigte, der genau den gegenteiligen Eindruck hervorgerufen
hätte, wenn der Sachverhalt korrekt wiedergegeben worden wäre.
Tatsächlich handelte
es sich bei dem abgebildeten Opfer nicht um einen Palästinenser, der
von dem Israeli zusammengeschlagen worden war. Das Bild zeigt vielmehr
einen israelischen Polizisten, der dem amerikanischen Studenten Tuvia
Grossman zu Hilfe kommt. Grossman hatte in einem Taxi gesessen, das
von Palästinensern mit Steinen beworfen worden war. Der junge Mann
wurde aus dem Wagen gezerrt, geschlagen und mit Messerstichen traktiert,
hatte sich jedoch losreißen können und war zu dem isralischen Polizisten
geflüchtet. Genau in diesem Augenblick hatte der Fotograf das Bild
geschossen.
AP hatte also nicht
nur das Opfer falsch bezeichnet, sondern darüber hinaus fälschlich
berichtet, dass das Foto auf dem Tempelberg aufgenommen wurde; der
Zwischenfall ereignete sich jedoch in Jerusalem.
Auf diese Irrtümer
aufmerksam gemacht, gab AP eine Reihe von Richtigstellungen heraus,
die den Sachverhalt zum Teil immer noch falsch darstellten. Außerdem
war – wie gewöhnlich, wenn die Medien einen Fehler machen – der Schaden
bereits angerichtet. Viele Zeitungen, die das Foto veröffentlicht
hatten, hielten es nicht für nötig, den Irrtum richtig zu stellen,
andere druckten zwar Richtigstellungen ab, die jedoch nicht annähernd
die Beachtung fanden wie die ursprüngliche Geschichte.
Ein anderes Beispiel
dafür, dass ein Foto erschütternd und dennoch irreführend sein kann,
ist ein Bild der Agentur Reuters. Es zeigt einen jungen Palästinenser,
der am 6. April 2001 von der israelischen Polizei verhaftet wurde.
Der Junge ist offensichtlich völlig verängstigt und hat in die Hosen
gemacht. Auch dieses Foto erregte weltweit großes Aufsehen und bestätigte
wieder einmal den von den Medien hervorgerufenen Eindruck von den
Israelis als brutaler Besatzungsmacht, die unschuldige Kinder misshandelt.
Ein anderer Fotograf
von Reuters schoss unmittelbar zuvor ein weiters Foto. Es zeigt denselben
Jungen, wie er Steine auf israelische Soldaten wirft. Dieses Bild
wurde nur von wenigen Zeitungen veröffentlicht.
1 Daniel Pipes: The Long Shadow: Culture and
Politics in the Middle East; NJ: Transaction Publishers 1990, S. 278.
2 Pipes, S. 278.
3 Jerusalem Report, 7. Mai 1991.
4 New York Jewish Week, 31. August 2001.
5 Jerusalem Report, 7. Mai 1991.
6 Al Hayat-Al-Jadidah, 16. Oktober 2001.
7 Al
Hayat Al-Jadidah, 2. November
2001.
8 Near East Report, 5. August 1991.
9 Artikel von Jean Pierre Martin
vom 5. Oktober 2000, einen Tag, nachdem sein belgisches Fernsehteam
von RTL-TV1 im Gebiet von Ramallah Filmaufnahmen gemacht hatte.
10 Washington
Post, 10. Mai 2001.
11 CNN,
10. Oktober 2000.
12 Al-Hamishmar,
6. Dezember 1991; B’Tselem.
13 Sidney Zion: »Intifada Blues«; Penthouse;
März 1990, S. 56.63.
14 Wall Street Journal, 21. Februar 1990.
15 Near East Report, 5. August 1991.
16 Washington Post, 7. September 2001.
17 New York Times, 30. September 2000.