Behauptung
"Nach
dem Suezkrieg waren die arabischen Regierungen bereit, Israel anzuerkennen."
"Der Militärschlag Israels war nicht provoziert worden."
"Frankreich und Großbritannien machten Israel zum Werkzeug
ihrer imperialistischen Interessen."
"Im Suezkrieg zeigte sich ganz deutlich, dass die Vereinigten
Staaten Israel blindlings unterstützten."
Behauptung
"Nach dem Suezkrieg waren die arabischen Regierungen bereit,
Israel anzuerkennen."
Tatsache
Im Herbst 1948 forderte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
Israel und die arabischen Staaten zu Verhandlungen über einen
Waffenstillstand auf. Ägypten zeigte sich verhandlungsbereit,
allerdings erst, als Israel die ägyptische Armee bis El Arisch
auf der Sinai-Halbinsel zurückgeschlagen hatte. Die Briten wären
zwar bereit gewesen, Ägypten im Rahmen eines englisch-ägyptischen
Abkommens zu verteidigen, doch die Ägypter zogen ein Treffen
mit den Israelis auf Rhodos dieser Demütigung vor.
Der von den Vereinten Nationen ernannte Vermittler Ralph Bunche -
er erhielt später den Friedensnobelpreis - brachte die beiden
Völker an einen Tisch. Bunche warnte beide Parteien, dass die
Delegation, die sich als Erste vom Verhandlungstisch erhob, die Schuld
am Scheitern der Verhandlungen trage.
Im Sommer 1949 waren Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und
Ägypten, Jordanien, dem Libanon und Syrien ausgehandelt worden.
Der Irak, der ebenfalls an den Kampfhandlungen beteiligt gewesen war,
verweigerte die Teilnahme. Bunche hatte auf Rhodos nur deshalb Erfolg,
weil er auf direkten bilateralen Gesprächen zwischen Israel und
jedem einzelnen arabischen Staat bestand.
In der Zwischenzeit hatte die Vollversammlung der
Vereinten Nationen am 11. Dezember 1948 eine Resolution verabschiedet,
die die feindlichen Parteien zu Friedensverhandlungen aufrief. Gleichzeitig
wurde eine Schlichtungskommission für Palästina (PCC), bestehend
aus Delegierten der Vereinigten Staaten, Frankreichs und der Türkei,
eingesetzt. Die arabischen Delegierten hatten geschlossen gegen diese
Resolution gestimmt.
Nach 1949 verlangten die Araber, dass Israel die
in der Teilungsresolution von 1947 festgelegten Grenzen akzeptierte
und die palästinensischen Flüchtlinge repatriierte - nur
unter diesen Bedingungen waren sie zu Verhandlungen über ein
Ende des von ihnen begonnenen Krieges bereit. Dies war eine neue Taktik,
derer sie sich auch nach späteren Niederlagen immer wieder bedienen
sollten: der Grundsatz eines Krieges mit beschränkter Haftung.
So kann ein Aggressor einen Kompromiss ablehnen und einen Krieg anfangen
in dem beruhigenden Wissen, dass er, selbst wenn er den Krieg verlieren
sollte, immer noch auf der Wiedereinführung des Status quo ante
bestehen kann.
Behauptung
"Der Militärschlag Israels war nicht provoziert worden."
Tatsache
Ägypten verharrte auch nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands
im Kriegszustand mit Israel. Der erste äußere Beleg dafür
war die Schließung des Suezkanals für den israelischen
Schiffsverkehr. Am 9. August 1949 bestätigte die Waffenstillstandskommission
der Vereinten Nationen Israels Beschwerde, dass Ägypten den Kanal
illegal gesperrt habe. Der UN-Vermittler Ralph Bunche erklärte:
"Der legale Schiffsverkehr muss freie Fahrt haben; es darf keine
Überbleibsel der Blockade aus der Kriegszeit geben - dies widerspräche
sowohl dem Buchstaben als auch dem Geist des Waffenstillstands."1
Am 1. September 1951 befahl der Sicherheitsrat Ägypten
die Öffnung des Kanals für den israelischen Schiffsverkehr.
Ägypten weigerte sich, dem Befehl Folge zu leisten.
Der ägyptische Außenminister Muhammad Salah al-Din sagte
Anfang 1954:
"Das arabische Volk scheut sich nicht zu erklären:
Wir geben uns erst dann zufrieden, wenn Israel von der Landkarte des
Nahen Ostens ausradiert ist."2
1955 begann der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser
im Zuge der Aufrüstung für eine spätere Konfrontation
mit Israel Waffen aus dem Ostblock zu importieren. Für den Anfang
verfolgte er jedoch eine neue Taktik in der Fortsetzung des Krieges
zwischen Ägypten und Israel. Er kündigte diese Taktik am
31. August 1955 mit den Worten an:
"Ägypten hat beschlossen, seine Helden, die Jünger
Pharaos und Söhne des Islam, in den Krieg zu schicken, und sie
werden Palästina reinigen ... Es wird keinen Frieden an Israels
Grenze geben, weil wir Rache fordern, und Rache bedeutet Israels Tod."3
Diese "Helden" waren arabische Terroristen
oder Fedajin, vom ägyptischen Geheimdienst für Grenzscharmützel
und Vorstöße nach Israel mit dem Ziel von Sabotage und
Mord ausgebildet und ausgerüstet. Die Fedajin operierten meist
von Stützpunkten in Jordanien aus, sodass dieses jeweils den
Hauptstoß der unweigerlich erfolgenden israelischen Vergeltungsschläge
zu tragen hatte. Die Angriffe der Terroristen verstießen gegen
die im Waffenstillstandsabkommen getroffene Vereinbarung, die Kampfhandlungen
durch paramilitärische Einheiten verbot. Nichtsdestoweniger war
es jeweils Israel, das vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für
seine Gegenangriffe verurteilt wurde.
Der nächste Schritt in der Eskalation waren die ägyptische
Sperrung der Straße von Tiran und Nassers Verstaatlichung des
Suezkanals im Juli 1956. Am 14. Oktober gab Nasser seine Absichten
bekannt:
"Ich kämpfe nicht nur gegen Israel. Meine
Aufgabe ist es, die arabische Welt vor der Vernichtung zu bewahren,
die ihr durch die Intrige Israels droht, deren Wurzeln jedoch im Ausland
liegen. Unser Hass ist stark. Es ist sinnlos, über einen Frieden
mit Israel zu reden. Es besteht nicht die geringste Chance für
Verhandlungen."4
Die Fortsetzung der Sperrung des Suezkanals und des Golfs von Akaba
für den israelischen Schiffsverkehr im Verein mit den verstärkten
Angriffen von Fedajin und den jüngsten kriegerischen Äußerungen
der Araber veranlassten Israel, Ägypten am 29. Oktober 1956 anzugreifen.
Großbritannien und Frankreich griffen ebenfalls an. Der israelische
Angriff war erfolgreich. Die israelischen Streitkräfte eroberten
den Gazastreifen, einen Großteil der Sinai-Halbinsel und Sharm
al-Sheikh. Bei den Kampfhandlungen fielen insgesamt 231
Soldaten.
Der israelische UN-Sonderbotschafter der Vereinten Nationen, Abba
Eban, legte am 30. Oktober vor dem Sicherheitsrat dar, welche Kette
von Provokationen zu diesem Angriff geführt hatten:
"Während der sechs Jahre, in denen wieder und wieder gegen
das Waffenstillstandsabkommen verstoßen wurde, kam es zu 1843
bewaffneten Überfällen und Raubzügen, 1339 bewaffneten
Zusammenstößen mit ägyptischen Streitkräften,
435 Einfällen aus ägyptisch kontrollierten Gebieten und
172 Fällen von Sabotage durch ägyptische Truppeneinheiten
und Fedajin in Israel. Infolge dieser ägyptischen Kampfhandlungen
auf israelischem Boden wurden 364 Israelis verletzt und 101 Personen
getötet. Allein im Jahr 1956 wurden auf Grund der ägyptischen
Anschläge 28 Israelis getötet und 127 verletzt."5
Dass diese Überfälle für Israel absolut untragbar waren,
lag unter anderem auch daran, dass das Land beschlossen hatte, nur
ein relativ kleines stehendes Heer zu unterhalten und sich im Kriegsfall
auf seine Reservestreitkräfte zu verlassen. Das bedeutete, dass
Israel im Notfall nur eine verschwindend kleine Streitmacht zur Verfügung
stand. Kriegsdrohungen, die die Mobilmachung der Reservestreitkräfte
nötig machten, legten das Land praktisch lahm. Dabei musste der
erste Ansturm des Feindes in jedem Fall so lange abgewehrt werden,
bis die Mobilmachung erfolgt war.
Behauptung
"Frankreich und Großbritannien machten Israel zum Werkzeug
ihrer imperialistischen Interessen."
Tatsache
Eisenhower war es gelungen, die Briten und Franzosen nach der Verstaatlichung
des Suezkanals im Juli von einem Angriff auf Ägypten abzuhalten.
Als das Abkommen über die Nutzung des Kanals in den folgenden
Wochen griff, wurde es zunehmend schwieriger, ein militärisches
Eingreifen zu rechtfertigen. Dennoch waren die Briten und Franzosen
nach wie vor stark daran interessiert, Nasser auf seinen Platz zu
verweisen.
Frankreich hatte zunehmend engere diplomatische,
politische und militärische Beziehungen zur israelischen Regierung
geknüpft, ja für die nächsten zwei Jahrzehnte wurde
das Land Israels wichtigster Waffenlieferant. Die Einstellung der
Briten zu Israel dagegen hatte sich seit der Mandatszeit kaum gewandelt.
Ein Rest Bitterkeit über den fast drei Jahrzehnte währenden
Kampf mit den Zionisten in Verbindung mit der weiter bestehenden britischen
Allianz mit Jordanien verhinderte jede politische Kursänderung.
Die Franzosen hatten erkannt, dass Israels Furcht vor einem Angriff
der Ägypter und die Fortdauer der Sperrung ihnen als Vorwand
für einen Militärschlag gegen Nasser dienen konnten - eine
Chance, die sich auch die Briten nicht entgehen lassen wollten.
Die drei Staaten einigten sich schließlich
auf ein gemeinsames Vorgehen. Israel sollte Fallschirmjäger in
der Nähe des Kanals absetzen und bewaffnete Streitkräfte
durch die Sinaiwüste auf Ägypten vorrücken lassen.
Die Briten und Franzosen wollten daraufhin beide Seiten aufrufen,
sich aus der Kanalzone zurückzuziehen - wobei sie sich der Weigerung
der Ägypter völlig sicher waren. An diesem Punkt würden
dann britische und französische Truppen zum "Schutz"
des Kanals stationiert werden.
Aus Israels Sicht war die Lage nach der Sperrung des Suezkanals und
des Golfs von Akaba im Verein mit den verstärkten Angriffen von
Fedajin und den jüngsten kriegerischen Äußerungen
der arabischen Staaten unhaltbar geworden. Statt den Zermürbungskrieg
mit den Terroristen fortzusetzen und zu warten, bis Nasser und seine
Verbündeten ihre Streitkäfte so weit aufgerüstet hatten,
dass sie einen neuen Krieg beginnen konnten, entschloss sich Ben-Gurion
zu einem Präventivschlag. Der Rückhalt der Briten und Franzosen,
so dachte er, würde ihm Deckung gegen die Opposition der Vereinigten
Staaten geben. Ein folgenschwerer Irrtum.6
Behauptung
"Im Suezkrieg zeigte sich ganz deutlich, dass die Vereinigten
Staaten Israel blindlings unterstützten."
Tatsache
Präsident Dwight Eisenhower war äußerst aufgebracht
darüber, dass Israel, Frankreich und Großbritannien heimlich
den Plan zu einer militärischen Aktion mit dem Ziel gefasst hatten,
Ägypten gewaltsam aus der Suezregion zu vertreiben. Die Tatsache,
dass Israel die Vereinigten Staaten nicht über seine Absichten
informiert und die Bitten der Amerikaner ignoriert hatte, sich auf
keine Kriegshandlungen einzulassen, führte zu beträchtlichen
Spannungen zwischen den beiden Ländern. Diese hatten wiederum
zur Folge, dass die Vereinigten Staaten gemeinsam mit der Sowjetunion
(ironischerweise unmittelbar nachdem die Sowjets in Ungarn eingefallen
waren) den Rückzug Israels forderten. Zu diesem Zweck drohten
sie mit der Einstellung jeglicher Unterstützung von amerikanischer
Seite, mit Sanktionen durch die Vereinten Nationen und mit dem Ausschluss
Israels aus den Vereinten Nationen (s. den Briefwechsel zwischen Ben-Gurion
und Eisenhower).
Auf den Druck der Amerikaner hin zog Israel sich aus den eroberten
Gebieten zurück, ohne dass die Ägypter irgendwelche Zugeständnisse
machen mussten. Damit war die Saat für den Krieg von 1967 gelegt.
Einer der Gründe dafür, dass Israel der
Forderung Eisenhowers nachgegeben hatte, war die Zusicherung, die
dieser Ministerpräsident David Ben-Gurion gab. Vor der Räumung
von Sharm al-Sheikh, dem strategischen Knotenpunkt an der Straße
von Tiran, erhielt Israel nämlich von den Vereinigten Staaten
das Versprechen, dass sie über die freie Durchfahrt auf der Wasserstraße
wachen würden.7 Zusätzlich befürwortete
Washington eine Resolution der Vereinigten Staaten über die Schaffung
von UN-Friedenstruppen, die die Gebiete, die von den israelischen
Streitkräften geräumt worden waren, kontrollieren sollten.
Mit dem Krieg nahmen die Anschläge der Fedajin vorübergehend
ein Ende, doch schon nach wenigen Jahren wurden sie von einer losen
Gruppe terroristischer Organisationen wieder aufgenommen, die später
unter dem Namen Palästinensische Befreiungsarmee (PLO) bekannt
wurde.
1 Eliezer Ereli: "The Bat Galim Case Before the Security Council";
Middle Eastern Affairs; April 1955, S. 108-109.
2 Al-Misri, 12. April 1954.
3 Middle Eastern Affairs, Dezember 1956, S. 461.
4 Middle Eastern Affairs, Dezember 1956, S. 460.
5 Offizielle Berichte des Sicherheitsrates S/3706, 30. Oktober 1956,
S. 14.
6 Mitchell Bard: The Complete Idiot's Guide to Middle East Conflicts,
NY: MacMillan 1999, S. 208-209.
7 Janice Gross Stein und Raymond Tanter: Rational Decision Making:
Israels Security Choices; OH: Ohio State University 1976, S. 163.