Behauptung
"Israel
trägt die Schuld am Jom-Kippur-Krieg."
"Der ägyptische Präsident Anwar el-Sadat
hatte amerikanischen Friedensvorschlägen zugestimmt; er wollte
keinen Krieg."
"Ägypten und Syrien waren die einzigen am Krieg von 1973 beteiligten
arabischen Staaten."
"Israel hat arabische Soldaten, die im Krieg von 1973 in Kriegsgefangenschaft
gerieten, misshandelt."
"Israelische Truppen haben vor ihrem Rückzug im Juni 1974
die Stadt Kuneitra terrorisiert und vorsätzlich gesprengt."
Behauptung
"Israel trägt die Schuld am Jom-Kippur-Krieg."
Tatsache
Am 6. Oktober 1973 - an Jom Kippur, dem höchsten israelischen Feiertag
- unternahmen Ägypten und Syrien einen Überraschungsangriff
gegen Israel. Zu diesem Zweck war ein Äquivalent der gesamten NATO-Streitkräfte
Europas an Israels Grenzen zusammengezogen worden.1 Auf den
Golanhöhen standen etwa 180 israelische Panzer dem Ansturm von
1400 syrischen Panzern gegenüber. Entlang des Suezkanals wurden
weniger als 500 israelischen Soldaten von 80000 Ägyptern angegriffen.
Nachdem Israel, das in den beiden ersten Kampftagen in die Defensive
gedrängt worden war, seine Reserven mobilisiert hatte, konnte es
die Eindringlinge zurückschlagen und den Kriegsschauplatz tief
nach Syrien und Ägypten verlagern. Die arabischen Staaten wurden
von der Sowjetunion unterstützt, die den amerikanischen Bemühungen
um eine sofortige Feuereinstellung ablehnend gegenüberstand. Daraufhin
begannen die USA - etwas verzögert - mit der Errichtung einer Luftbrücke
nach Israel. Zwei Wochen später wurde Ägypten vom Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen vor einer katastrophalen Niederlage bewahrt -
von demselben Sicherheitsrat, der, solange die Vorzeichen für die
Araber günstig standen, stillgehalten hatte.
So lange es so aussah, als würden die arabischen
Angreifer den Krieg gewinnen, zeigte die Sowjetunion keinerlei Interesse,
sich um einen Friedensschluss zu bemühen. Eine ähnliche Haltung
legte der damalige UN-Generalsekretär Kurt Waldheim an den Tag
(Waldheim wurde nach seiner Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten
die Einreise in die USA verweigert, nachdem sich herausstellte, dass
er im Zweiten Weltkrieg an Kriegsverbrechen der Deutschen auf dem Balkan
beteiligt gewesen war).
Am 22. Oktober erließ der Sicherheitrat Resolution 338, in der
alle Parteien aufgerufen wurden, "sofort das Feuer einzustellen".
Der Beschluss erfolgte an dem Tag, an dem die israelischen Streitkräfte
die Dritte Ägyptische Armee abgeschnitten und isoliert hatten und
sie folglich hätte vernichten können.2
Trotz des militärischen Erfolgs seiner Streitkräfte wertete
Israel den Krieg als diplomatische und militärische Niederlage.
Insgesamt waren 2688 israelische Soldaten ums Leben gekommen.
Behauptung
"Der ägyptische Präsident Anwar el-Sadat hatte amerikanischen
Friedensvorschlägen zugestimmt; er wollte keinen Krieg."
Tatsache
1971 bekundete der ägyptische Präsident Sadat seine Bereitschaft
zu einem Abkommen mit Israel unter der Voraussetzung, dass die Israelis
alle besetzten Gebiete zurückgäben. Da man dem Frieden dennoch
weiterhin keinen Schritt näher kam, erklärte Sadat im folgenden
Jahr, dass ein Krieg unausweichlich und er selbst bereit sei, in einer
entscheidenden Kraftprobe mit Israel eine Million Soldaten zu opfern.3 In diesem Jahr sollte seine Drohung allerdings noch nicht wahr werden.
Das ganze Jahr 1972 und einen Großteil des Jahres 1973 drohte
Sadat weiter mit Krieg, falls die Vereinigten Staaten Israel nicht zwangen,
die arabische Auslegung von Resolution 242 anzunehmen. Er forderte den
völligen Rückzugs Israels aus den 1967 eroberten Gebieten.
Gleichzeitig startete das ägyptische Staatsoberhaupt eine diplomatische
Offensive in mehreren europäischen und afrikanischen Staaten und
warb um Unterstützung für seine Sache. Er appellierte an die
Sowjetunion, Druck auf die Vereinigten Staaten auszuüben und Ägypten
noch mehr Waffen für eine Überschreitung des Suezkanals zu
liefern. Der Sowjetunion war zu diesem Zeitpunkt jedoch mehr an der
Aufrechterhaltung des Anscheins der politischen Entspannung mit den
Vereinigten Staaten als an einer Konfrontation im Nahen Osten gelegen,
und lehnte Sadats Forderung ab. Sadats Reaktion bestand in der für
alle Welt völlig überraschend kommenden Ausweisung von 20000
sowjetischen Beratern aus Ägypten.
In einem Interview aus dem Jahr 1973 drohte Sadat
dann mit der Wiederaufnahme des Krieges.4 Da er die gleiche
Drohung jedoch schon 1971 und 1972 ausgesprochen hatte, nahmen die meisten
Beobachter seine Äußerung nicht ernst.
Die Vereinigten Staaten waren wie Israel der Ansicht, dass Ägypten
nun direkte Verhandlungen aufnehmen sollte. Der von den USA vermittelte
Waffenstillstand hielt inzwischen immerhin schon drei Jahre, und der
amerikanische Außenminister Kissinger hatte bei den Vereinten
Nationen den Anstoß zu einem neuen Dialog für den Frieden
gegeben. Kaum jemand glaubte, dass es jetzt noch zu einem neuen Krieg
kommen würde.
Doch Sadats beißender Kommentar zu Kissingers Initiative gipfelte
in den Worten:
"Die Vereinigten Staaten stehen noch immer unter zionistischem
Druck. Sie sehen durch die Brille des Zionismus und sind völlig
blind für alles, was nicht den Wünschen Israels entspricht.
Wir werden das nicht hinnehmen."5
Behauptung
"Ägypten und Syrien waren die einzigen am Krieg von 1973 beteiligten
arabischen Staaten."
Tatsache
Mindestens neun arabische Staaten, darunter vier, die nicht in der Krisenregion
liegen, haben die ägyptisch-syrischen Kriegsbestrebungen aktiv
unterstützt.
Wenige Monate vor dem Jom-Kippur-Krieg entsandte der Irak eine Schwadron
Kampfflugzeuge nach Ägypten. Während des Krieges wurden eine
18000 Mann starke irakische Abteilung und mehrere hundert Panzer auf
den Golanhöhen stationiert; sie nahmen am 16. Oktober am Angriff
gegen die israelischen Stellungen teil.6 Bereits am 8. Oktober,
dem dritten Kriegstag, wurden irakische MiGs auf den Golanhöhen
eingesetzt.
Saudi-Arabien und Kuwait leisteten nicht nur finanzielle
Schützenhilfe, sondern schickten ebenfalls Soldaten in die Schlacht.
Eine saudische Brigade von etwa 3000 Mann wurde nach Syrien versetzt,
wo sie an den Kämpfen gegen die Israelis, die auf Damaskus vorrückten,
teilnahmen. Libyen verstieß gegen das in Paris beschlossene Transfer-Verbot
für Waffen französischer Herkunft und schickte Mirage-Kampfjäger
nach Ägypten (von 1971 bis 1973 zahlte der libyische Präsident
Muammar Quaddafi über eine Milliarde Dollar für die Wiederaufrüstung
Ägyptens, hauptsächlich an die Sowjets).7
"Alle Länder sollten
am Krieg gegen die Zionisten teilnehmen, die nur dazu da sind, alles,
was Menschen aufgebaut haben, zu zerstören."
König Faisal von Saudi-Arabien - Beirut Daily Star, 17. November
1972
Auch andere nordafrikanische Länder entsprachen
dem arabischen und sowjetischen Aufruf zur Unterstützung der Frontstaaten.
Algerien schickte drei Schwadronen Kampfflugzeuge und Bomber, eine bewaffnete
Brigade und 150 Panzer. Am Nildelta wurden zwischen 1000 und 2000 tunesische
Soldaten stationiert. Der Sudan entsandte 3500 Mann nach Südägypten,
und Marokko schickte drei Brigaden an die Front, davon 2500 Mann nach
Syrien.
Die syrische Luftverteidigung arbeitete mit libanesischen
Radareinheiten. Und der Libanon ließ es zu, dass palästinensische
Terroristen von libanesischem Gebiet aus zivile israelische Siedlungen
unter Beschuss nahmen. Palästinenser kämpften an der Südfront
an der Seite von Ägyptern und Kuwaitis.8
Der wohl zurückhaltendste Teilnehmer war der jordanische König
Hussein, der anscheinend nicht über die ägyptischen und syrischen
Kriegspläne unterrichtet worden war. Doch auch Hussein schickte
zwei seiner besten Einheiten - die Vierzigste und die Sechzigste Bewaffnete
Brigade - nach Syrien. Sie nahmen Stellungen im südlichen Kampfabschnitt
ein, verteidigten die wichtigste Verbindungsroute zwischen Amman und
Damaskus und griffen am 16. Oktober israelische Stellungen entlang der
Straße Kuneitra-Sassa an. An dem Überfall beteiligten sich
auch drei jordanische Artillerieeinheiten mit ca. 100 Panzern.9
Der syrische Verteidigungsminister Mustafa Tlas schilderte
im Dezember 1973 vor der syrischen Nationalversammlung das folgende
Beispiel für die "höchste Tapferkeit" der syrischen
Truppen:
"Es handelt sich um den Fall eines Rekruten aus Aleppo, der ganz
allein 28 jüdische Soldaten ermordet hat. Er hat sie hingemetzelt
wie Schafe. Seine bewaffneten Kameraden waren Zeugen. Drei von ihnen
schlachtete er mit der Axt ab und enthauptete sie ... Mit einem von
ihnen geriet er in den Nahkampf. Dem brach er mit einem Axthieb das
Genick und verschlang vor den Augen seiner Kameraden sein Fleisch. Dieser
Fall ist ein ganz besonderes Beispiel für Heldenmut; der Mann verdient
die Medaille der Republik. Ich werde diese Medaille jedem Soldaten verleihen,
dem es gelingt, 28 Juden zu töten, und werde ihn für seinen
Mut mit Anerkennung und Ehren überhäufen."10
Behauptung
"Israel hat arabische Soldaten, die im Krieg von 1973 in Kriegsgefangenschaft
gerieten, misshandelt."
Tatsache
Zahlreiche unabhängige Beobachter berichteten, dass die Behandlung
von arabischen Kriegsgefangenen durch die Israelis zu keinerlei Beanstandung
Anlass gab. Hugh Baker, ein Vertreter von Amnesty International, erklärte:
"Sie werden gut behandelt ... und sie scheinen die bestmögliche
medizinische Versorgung zu erhalten."11
Kurz nach seiner Freilassung beklagte sich der syrische Colonel Atnon
El-Kodar über Misshandlung durch israelische Ärzte. Er warf
ihnen vor, ohne medizinische Notwendigkeit sein Bein amputiert zu haben.
Ein amerikanischer Reporter, Ed deFontaine, der Kodar in einem israelischen
Krankenhaus getroffen hatte, meinte, der Colonel müsse "ein
sehr kurzes Gedächtnis für das haben, was getan wurde, um
ihn zu retten ... Mir sagte er damals, dass er dem Arzt sein Leben verdanke."12
Die israelischen Soldaten hingegen, die von syrischen und ägyptischen
Truppen gefangen genommen wurden, wurden sehr wohl misshandelt. Dutzende
von israelischen Kriegsgefangenen wurden, nachdem sie sich ergeben hatten,
ermordet, andere wurden gefoltert - ein klarer Verstoß gegen die
Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen.
Nach einem Bericht, den die israelische Regierung
am 8. Dezember 1973 dem Internationalen Roten Kreuz übergab, hatten
israelische Truppen auf den Golanhöhen die Leichen israelischer
Soldaten entdeckt, die an Händen und Füßen gefesselt
waren und denen man die Augen ausgedrückt hatte. Sie waren aus
nächster Nähe erschossen worden.
An der ägyptischen Front erging es den israelischen Soldaten nicht
besser, wie der einen Tag später, am 9. Dezember 1973, beim Roten
Kreuz eingegangene Bericht belegt. Die Soldaten, die sich ergeben hatten,
bekamen nichts zu essen, wurden geschlagen und mussten Auspeitschungen,
sexuelle Misshandlungen und Verbrennungen über sich ergehen lassen
- und auch von ihnen wurden viele zum Schluss erschossen.
Nach dem Krieg weigerte sich Syrien monatelang, Israel, dem Roten Kreuz
oder dem amerikanischen Außenminister Henry Kissinger Listen mit
den Namen der Kriegsgefangenen zukommen zu lassen.
Die London Sunday Times berichtete, dass syrische Offiziere israelische
Kriegsgefangene zum Verhör an speziell dafür ausgebildete
sowjetische Militärs ausgeliefert hatten. "Die Verhörenden
... wandten medizinische und andere Foltertechniken an, um den Widerstand
der Israelis zu brechen", hieß es in der Times.13
Behauptung
"Israelische Truppen haben vor ihrem Rückzug im Juni 1974
die Stadt Kuneitra terrorisiert und vorsätzlich gesprengt."
Tatsache
Kuneitra, eine kleine Stadt unmittelbar nördlich der israelisch-syrischen
Grenze, wurde in den Kriegen von 1967 und 1973 schwer beschädigt.
Im Jom-Kippur-Krieg wurde sie zunächst von syrischen Truppen beschossen
und erobert, dann von den Israelis zurückerobert und gegen heftige
syrische Gegenangriffe verteidigt. Panzer rollten durch die Straßen
und über die Trümmer der Häuser hinweg. Die 81 Tage dauernden
Artillerie-Duelle, die der schließlichen Aufgabe der Stadt vorausgingen,
hinterließen ebenfalls ihre zerstörerischen Spuren.
Seine strategisch günstige Lage direkt an der
israelischen Grenze machte Kuneitra zu einem wichtigen Knotenpunkt für
die syrische Armee. Hier befand sich eine wichtige Kommando- und Kontrollzentrale
der gesamten Front. Mindestens die Hälfte des syrischen Heeres
stand in dem Gebiet, dessen Hauptstadt Kuneitra war. Militäreinrichtungen,
Baracken, Versorgungszentralen sowie Treibstoff- und Munitionslager
bestimmten das Stadtbild und seine Umgebung. Die Folge war, dass sich
die Erwerbsquellen der Einwohner änderten: Aus einfachen Bauern
wurden Armeelieferanten.
Lange vor der angeblichen Zerstörung der Stadt
durch israelische Soldaten berichtete die London Times, dass Kuneitra,
das einst "über 17000 Einwohner und eine syrische Armeegarnison
beherbergte ... nach sieben Kriegsjahren aufgegeben wurde und völlig
zerstört ist. Es wirkt wie eine Geisterstadt aus dem Wilden Westen,
die von einer Naturkatastrophe heimgesucht wurde ... Fast alle Häuser
sind stark beschädigt, viele sind eingestürzt ..."14
1 Chaim Herzog: The Arab-Israeli-Wars; NY: Random House 1982, S. 230.
2 Herzog, S. 280.
3 Howard Sachar: A History of Israel: From the Rise of Zionism to Our
Time; NY: Alfred A. Knopf 1979, S. 747.
4 Newsweek, 9. April 1973.
5 Radio Kairo, 28. September 1973.
6 Trevor Dupuy: Elusive Victory: The Arab-Israeli-Wars, 1947-1974; NY:
Harper & Row 1978, S. 462.
7 Dupuy, S. 376; Herzog, S. 278; Nadav Safran: Israel The Embattled
Ally; MA: Harvard University Press 1981, S. 499.
8 Herzog, S. 278; 285; 293; Dupuy, S. 534.
9 Herzog, S. 300.
10 Offizielle syrische Zeitungsmeldung, 11. Juli 1974.
11 Jerusalem Post, 4. Januar 1974.
12 Group W Radio, 11. Juni 1974.
13 London Times, 19. Mai 1974.
14 London Times, 5. Mai 1974