Behauptung
"Nach dem Krieg von 1967 war Israel nicht bereit,
mit den Arabern über eine friedliche Regelung des Nahostkonflikts
zu verhandeln."
"Laut Resolution 242 des Sicherheitsrats war Israels Aneignung
von Territorien im Krieg von 1967 unzulässig."
"In Resolution 242 wird Israel aufgefordert, zu den Grenzen von
vor 1967 zurückzukehren."
"In Resolution 242 wird das Recht der Palästinenser auf
Selbstbestimmung anerkannt."
"Die arabischen Staaten und die PLO haben Resolution 242 anerkannt,
während Israel sie ablehnte."
"Nach dem Sechs-Tage-Krieg waren die Palästinenser zu Verhandlungen
bereit."
Behauptung
"Nach dem Krieg von 1967 war Israel nicht bereit, mit den Arabern
über eine friedliche Regelung des Nahostkonflikts zu verhandeln."
Tatsache
Israel hoffte nach dem Sieg im Sechs-Tage-Krieg, dass es nun zu Friedensverhandlungen
mit den arabischen Staaten kommen würde. Die Israelis signalisierten
ihre Bereitschaft, praktisch alle im Krieg eroberten Gebiete im Austausch
gegen den Frieden zurückzugeben. Nach Aussage von Moshe Dayan
wartete Israel zu diesem Zeitpunkt nur noch auf einen entsprechenden
Anruf der arabischen Staatsoberhäupter.1
Doch diese Hoffnung zerschlug sich im August 1967,
als die arabischen Staaten auf einer Gipfelkonferenz in Khartoum das
Programm der berühmten drei "Nein" verabschiedete:
"Die Könige und Staatspräsidenten haben sich auf das
gemeinschaftliche Bemühen geeinigt, die Folgen der Aggression
auf internationaler und diplomatischer Ebene zu beseitigen und für
den Rückzug der Streitkräfte des Aggressors Israel aus den
arabischen Ländern Sorge zu tragen, allerdings innerhalb des
Rahmens, dem die arabischen Staaten verpflichtet sind: keine Versöhnung
mit Israel; keine Verhandlungen mit Israel, keine Anerkennung Israels
sowie die Wahrung der Rechte der Palästinenser in ihrem Volk."2
Der frühere israelische Staatspräsident Chaim Herzog schrieb:
"Israels Überzeugung, dass der Krieg ein Ende haben und
von nun an Friede an den Grenzen herrschen würde, wurde rasch
zerstört. Drei Wochen nach Beendigung der Kampfhandlungen kam
es am Suezkanal bereits zum ersten ernsten Zwischenfall."3
Behauptung
"Laut Resolution 242 des Sicherheitsrats war Israels Aneignung
von Territorien im Krieg von 1967 unzulässig".
Tatsache
Am 22. November 1967 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen Resolution 242. Sie war als Grundlage für alle Bemühungen
um eine Friedenslösung im Nahen Osten gedacht. Die UN-Entschließung
war ein mühselig ausgehandelter Kompromiss aus sehr gegensätzlichen
Vorlagen. Der Text verlangt daher eine sehr genaue Prüfung und
ein Achten auf die einzelnen Formulierungen, um die eigentlichen Absichten
des Sicherheitsrats herauszuschälen.
Im ersten Punkt geht es um die "Unzulässigkeit
von Gebietserwerb durch Krieg". Für manche Parteien ist
die Resolution hier bereits zu Ende; sie fordern den bedingungslosen
und vollständigen Rückzug Israels aus den eroberten Gebieten.
Diese Forderung ist jedoch keinesfalls in dem Satz enthalten, denn
er bezieht sich eindeutig auf einen Offensivkrieg. Wenn dem nicht
so wäre, würde die Resolution geradezu zum Krieg auffordern.
Denn wenn ein Land ein anderes angriffe und der Verteidiger den Angriff
zurückschlüge und dabei bestimmte Gebiete besetzen würde,
dann würde die Resolution von ihm verlangen, diese Gebiete zurückzugeben.
Damit hätte der Aggressor in einem Krieg wenig zu verlieren,
weil er vor den schlimmsten Folgen einer Niederlage sicher wäre.
Das eigentliche Ziel von Resolution 242 wird in Paragraf
3 formuliert. Es ist die "Errichtung eines gerechten und dauerhaften
Friedens in Nahost". Damit ist ein auf dem Verhandlungsweg erzieltes
Abkommen gemeint, das auf den Grundsätzen der Resolution basiert,
keinesfalls eines, das den Parteien aufgezwungen wird. Genau dies
ist nach Arthur Goldberg, dem amerikanischen UN-Botschafter, auch
die Folgerung von Resolution 338. Diese Resolution, die nach dem Krieg
von 1973 verabschiedet wurde, verlangte von den Parteien die unverzügliche
und gleichzeitige Feuereinstellung und die Aufnahme von Verhandlungen.
"Dies ist der erste Krieg in der Geschichte,
der damit endet, dass die Sieger um Frieden bitten und die Besiegten
die bedingungslose Kapitulation fordern."
Abba Eban 4
Behauptung
"In Resolution 242 wird Israel aufgefordert, zu den Grenzen von
vor 1967 zurückzukehren."
Tatsache
Der wohl umstrittenste Punkt von Resolution 242 ist die Forderung
nach dem "Rückzug der israelischen Streitkräfte aus
Gebieten, die im jüngsten Konflikt besetzt wurden". Er steht
in enger Beziehung zu dem zweiten eindeutigen Punkt, der Forderung
nach einer "Einstellung aller Behauptungen oder Formen eines
Kriegszustands" und der Anerkennung, dass jeder Staat in diesem
Gebiet das Recht hat, "innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen
frei von Drohungen und Akten der Gewalt in Frieden zu leben".5
Die Resolution macht den israelischen Rückzug nicht zur Vorbedingung
für das Einlenken der Araber. Außerdem wird nicht ausgeführt,
wie viele Gebiete Israel aufgeben soll. Der Sicherheitsrat hat nicht
gesagt, dass Israel "die" oder "alle" Gebiete,
die es nach dem Sechs-Tage-Krieg besetzt hat, zurückgeben muss.
All dies geschah sehr bewusst. Der sowjetische Delegierte wollte das
Wörtchen "alle" in der Resolution aufgenommen wissen,
weil andernfalls "ein Teil dieser Territorien in israelischer
Hand bleiben könnte". Die arabischen Staaten forderten natürlich
ebenfalls die Aufnahme dieses Wortes, doch ihre Forderung wurde abgelehnt.
Daraufhin erklärten sie, dass sie die Resolution dennoch so lesen
würden, als enthalte sie das Wort "alle". Der britische
Botschafter Lord Caradon, der die schließlich verabschiedete
Resolution entworfen hatte, erklärte nach der Abstimmung: "Wir
sind einzig und allein an die Resolution gebunden, und wir betrachten
ihren Wortlaut als eindeutig."6
Diese wörtliche Interpretation - ohne das mitgedachte
"alle" - wurde von all denen, die am Wortlaut der Resolution
mitgearbeitet haben, wiederholt als korrekt bestätigt. Am 29.
Oktober 1969 zum Beispiel erklärte der britische Außenminister
vor dem Unterhaus, dass der von der Resolution geforderte Rückzug
sich nicht auf "alle Gebiete" erstrecke.7 Und
als Lord Caradon später gebeten wurde, die britische Position
zu erläutern, sagte er: "Es wäre nicht richtig gewesen
zu verlangen, dass Israel in die Grenzen vom 4. Juni 1967 zurückkehrte,
weil sie ungünstig und künstlich waren."8
Ganz ähnlich äußerte sich Botschafter
Goldberg: "Wichtige Auslassungen im Blick auf den Rückzug
- die keineswegs zufällig waren - betreffen die Wörter "die"
oder "alle" und die Formulierung "die Grenzen vom 5.
Juni 1967" ... die Resolution spricht lediglich von einem Rückzug
aus besetzten Gebieten, ohne das Ausmaß dieses Rückzugs
genau festzulegen."9
Die arabischen Staaten werden in der Resolution unzweideutig
aufgefordert, Frieden mit Israel zu schließen. Die Hauptbedingung
dafür ist, dass Israel sich aus Gebieten, die es 1967 besetzt
hatte, zurückzieht. Das kann bedeuten, dass Israel sich aus manchen,
allen oder keinem der noch besetzten Gebiete zurückziehen muss.
Da das Land mit dem Rückzug von der Sinai-Halbinsel 91 Prozent
der eroberten Gebiete zurückgab, kam es seiner in Resolution
242 festgesetzten Verpflichtung in jedem Fall bereits teilweise -
wenn nicht sogar ganz - nach.
Auch die Forderung nach "sicheren und anerkannten
Grenzen" lehnten die arabischen Staaten ab, weil sie befürchteten,
dies könnte Verhandlungen mit den Israelis nötig machen.
Die Arabische Liga schloss diesen Punkt deshalb auf der Konferenz
in Khartoum im August 1967, bei der die drei "Neins" formuliert
wurden, ausdrücklich aus. Botschafter Goldberg erklärte,
dass die Wendung eigens aufgenommen worden war, weil man davon ausging,
dass die Parteien "in ihren Friedensverhandlungen territoriale
Regelungen treffen würden, die nicht den vollständigen Rückzug
der Israelis aus den eroberten Gebieten vorsahen, da Israels Vorkriegsgrenzen
sich als weitgehend unsicher erwiesen hatten".
Die Frage lautet also, ob Israel auf alle zusätzlichen Gebiete
verzichten muss. Inzwischen sind Friedensverträge mit Ägypten
und Jordanien unterzeichnet und Israel hat sich auf die internationale
Grenze zum Libanon zurückgezogen, sodass Gebietsansprüche
nur noch mit den Palästinensern (die in 242 nicht einmal erwähnt
werden) und mit Syrien geklärt werden müssen.
Im Streit mit Syrien geht es um die Golanhöhen.
Israels Ministerpräsident Yitzhak Rabin signalisierte bereits
seine Bereitschaft, im Ausgleich gegen den Frieden einen Kompromiss
auszuhandeln; doch Präsident Hafez Assad weigerte sich, auch
nur einen eingeschränkten Friedensvertrag anzuerkennen, ehe Israel
nicht dem vollständigen Rückzug zustimmte. Gemäß
Resolution 242 ist Israel jedoch nicht verpflichtet, sich ohne alle
vorherigen Friedensabsprachen mit Syrien auch nur teilweise von den
Golanhöhen zurückzuziehen.
Es ist wichtig festzuhalten, dass andere arabische Staaten, die sich
weiterhin mit Israel im Krieg befinden bzw. dem Land die diplomatische
Anerkennung verweigern, wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Libyen,
keine territorialen Streitigkeiten mit Israel haben. Dennoch haben
auch sie ihre Beziehungen zu Israel (zumindest rhetorisch) vom Rückzug
Israels auf die Vorkriegsgrenzen abhängig gemacht.
Resolution 242 enthält jedoch noch ganz andere
Forderungen, was den meisten Nahostbeobachtern zu entgehen scheint
- zum Beispiel die Garantie unbehinderter Schifffahrt. Diese Klausel
wurde aufgenommen, weil die Sperrung der Straße von Tiran durch
die Ägypter einer der Hauptgründe für den Krieg von
1967 war.
Behauptung
"In Resolution 242 wird das Recht der Palästinenser auf
Selbstbestimmung anerkannt."
Tatsache
Die Palästinenser werden in Resolution 242 überhaupt nicht
erwähnt. Lediglich im zweiten Satz des zweiten Artikels, wo von
einer "gerechten Regelung des Flüchtlingsproblems"
die Rede ist, wird auf sie angespielt. An keiner Stelle wird gefordert,
dass die Palästinenser territoriale oder politische Rechte erhalten
sollen. Im Gegenteil, in der allgemeinen Formulierung "Flüchtlingsproblem"
wird deutlich, dass dieses Problem auf beiden Seiten bestand - auf
arabischer wie auf jüdischer, war doch die Zahl der Juden, die
aus arabischen Ländern flohen, fast ebenso hoch wie die der Palästinenser,
die Israel verließen. Die Juden erhielten allerdings keine Entschädigung
von den arabischen Staaten, und es wurden auch keine UN-Organisationen
zu ihrer Unterstützung gegründet.
Behauptung
"Die arabischen Staaten und die PLO haben Resolution 242 anerkannt,
während Israel sie ablehnte."
Tatsache
Die arabischen Staaten erklärten, dass sie Resolution 242 in
der von ihnen selbst definierten Form akzeptierten, dass heißt
unter der Voraussetzung, dass Israel sich bedingungslos und vollständig
aus den eroberten Gebieten zurückziehe.
Die PLO lehnte Resolution 242 am 15. Oktober 1968 vor der Vollversammlung
der Vereinten Nationen mit der Erklärung ab, dass die "Durchführung
besagter Resolution zum Verlust aller Hoffnungen auf Frieden und Sicherheit
in Palästina und im Nahen Osten" führe.
Botschafter Abba Eban formulierte die Haltung Israels am 1. Mai 1968
gegenüber dem Sicherheitsrat: "Meine Regierung hat darauf
hingewiesen, dass sie die Resolution des Sicherheitsrates zur Förderung
eines Abkommens über die Errichtung eines gerechten und dauerhaften
Friedens anerkennt. Darüber hinaus bin ich zu der Zusicherung
bevollmächtigt, dass wir bereit sind, in allen Punkten, die in
dieser Resolution angesprochen werden, mit jedem arabischen Staat
zu einer Übereinkunft zu kommen."
Es dauerte fast ein Vierteljahrhundert, doch am Ende akzeptierte die
PLO mit der Unterzeichnung der "Grundsatzerklärung"
im September 1993 die Resolutionen 242 und 338 als Grundlage für
Verhandlungen mit Israel.
Behauptung
"Nach dem Sechs-Tage-Krieg waren die Palästinenser zu Verhandlungen
bereit."
Tatsache
Die Arabische Liga gründete im Jahr 1964 in Kairo die Palästinensische
Befreiungsorganisation als Waffe gegen Israel. Bis zum Sechs-Tage-Krieg
führte die PLO Terroranschläge durch, die massiv zur dramatischen
Zuspitzung des Konflikts beitrugen. Weder die PLO noch andere palästinensische
Gruppen traten mit Jordanien oder Ägypten für die Schaffung
eines unabhängigen palästinensischen Staates in der Westbank
und im Gazastreifen ein. Das Hauptanliegen der Palästinenser
war stets die Vernichtung Israels.
Das änderte sich auch nach der Niederlage der arabischen Staaten
im Jahr 1967 nicht. Im Gegenteil, als dadurch eine Million Araber
unter israelische Herrschaft kamen, glaubten manche Palästinenser,
dass die Erfolgsaussichten eines allgemeinen Befreiungskrieges nun
sogar gewachsen seien. Zu diesem Zweck organisierte Jassir Arafat
eine Terrorkampagne von der Westbank aus. Von September bis Dezember
1967 kam es zu 61 Anschlägen, in der Hauptsache gegen zivile
Ziele wie Fabriken, Kinos und Privathäuser.10
Den israelischen Sicherheitskräfte gelang es jedoch zunehmend,
die Terroranschläge in Israel und in den besetzten Gebieten zu
vereiteln. Daraufhin schlug die PLO einen anderen Kurs ein und griff
jüdische und israelische Ziele im Ausland an. Anfang 1968 kam
es zur ersten Flugzeugentführung durch palästinensische
Terroristen, der noch viele folgen sollten.
1 Walter Lacquer: The Road to War; London: Weidenfeld und Nicholson
1968, S. 297.
2 Yehuda Lukacs: Documents on the Israeli-Palestinian Conflict 1967-1983;
NY: Cambridge University Press 1984, S. 213.
3 Chaim Herzog: The Arab-Israeli Wars; NY: Random House 1982, S. 195.
4 Abba Eban: Abba Eban, NY: Random House 1977, S. 446.
5 Dt. Text aus: Susann Heenen-Wolff: Erez Palästina; Frankfurt
am Main: Luchterhand 1990, S. 131.
6 Prosper Weil: "Territorial Settlement in the Resolution of
November 22, 1967", in: John Moore (Hrsg.): The Arab-Israeli
Conflict; NJ: Princeton University Press 1974, S. 321.
7 Eban, S. 452.
8 Beirut Daily Star, 12. Juni 1974.
9 Rede vor der AIPAC Policy Conference, 8. Mai 1973.
10 Netanel Lorch: One Long War, Jerusalem: Keter 1976, S. 139-146.